Amnesty international hat in seinem am Mittwoch veröffentlichten jüngsten Menschenrechtsbericht darauf hingewiesen, dass autoritäre Regime die Corona-Pandemie nutzen, um gegen Oppositionelle vorzugehen und die Repression zu verstärken. Aber auch in Staaten mit bürgerlichen Demokratien wie Deutschland oder anderen EU-Staaten müssen wir uns fortschreitender Entrechtungen und Repression entgegenstellen. Dass Widerstand von Links, aus einer aufgeklärten Position nötig ist, wird immer offensichtlicher. Wir dürfen das Feld nicht den Corona-Leugner_innen mit ihren antisemitischen Verschwörungstheorien überlassen, die ihre Privilegien verteidigen wollen. Wir müssen uns mit denen solidarisch zeigen, deren Rechte während dieser Pandemie besonders beschnitten werden. Dazu gehören in Deutschland und im gesamten Europa Schutz suchende Menschen, Geflüchtete.
Es ist bemerkenswert, dass trotz aller Einschränkungen und Gefahren durch die Corona-Pandemie die Bundesregierung und die einzelnen Bundesländer enorme Anstrengungen darauf verwenden, Abschiebungen um nahezu jeden Preis fortzuführen, als wären sie von sog. Systemrelevanz. Vermutlich sind sie das auch in den Augen vieler politisch Verantwortlicher, denn es geht bei den Abschiebungen ja nicht zuletzt um die Sicherung einer bestimmten Staatsräson: Es soll selbst in Krisenzeiten demonstriert werden, dass der Staat absolute Kontrolle über die Menschen hat, die sich auf seinem Gebiet aufhalten. Außerdem lässt sich an den zur Bedrohung aufgebauten Schutz suchenden Menschen wunderbar eine repressive Politik ausüben, die das Bedürfnis bei den immer lauter werdenden autoritär gesonnenen Menschen nach befriedigt.
So werden selbst nach Afghanistan mit zunehmender Regelmäßigkeit die Abschiebungen fortgesetzt. Erst vergangenen Mittwoch fand eine Sammelabschiebung vom Flughafen Berlin statt. Und bereits Anfang März hatte die niedersächsische Landesregierung eine Sammelabschiebung von Hannover aus organisiert. Abschiebungen in ein Land, in dem die Sicherheitslage sich kontinuierlich verschlechtert und das nun von der Corona-Pandemie ganz besonders getroffen ist. Aber humanitäre Aspekte sind nicht der Maßstab deutscher Flüchtlingspolitik.
Das gilt aber genauso für die europäische Ebene:
Deutschland hatte bis Ende letzten Jahres die Ratspräsidentschaft in der EU inne und hatte nichts besseres zu tun, als in einem Resümee seiner Ratspräsidentschaft zu beklagen, dass angesichts der Corona-Pandemie die Abschiebungen nicht in dem Ausmaß stattgefunden hatten, wie in den Jahren zuvor. In dem Papier wird zudem beklagt, dass Abschiebegefangene aus der Haft entlassen werden mussten, weil auf Grund der Corona-Pandemie nicht klar war, ob ihre Abschiebung zeitnah durchgeführt werden konnte. Die Bundesregierung fordert entsprechend in diesem Papier neue, nicht zuletzt digitale Strategien sowie jenseits von Haft andere Zwangsmaßnahmen, um Abschiebungen zu forcieren. Zudem sollen den Drittstaaten deutliche Signale gegeben werden, dass sie auch in Krisenzeiten Abgeschobene aufnehmen sollen. Dass das nichts anderes heißt als Zuckerbrot und Peitsche für von der EU abhängige Staaten, dürfte klar sein. Darüber hinaus fordert die Bundesregierung, dass Staaten, in denen Abschiebungen scheitern, weil Menschen sich nicht auf Covid-19 testen lassen wollen, Gesetze implementieren, die Zwangstests zulassen. Die ehemalige Ratspräsidentschaft lässt auch keinen Zweifel daran aufkommen, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen auch in Hinblick auf Zeiten nach der Pandemie für eine Steigerung der Abschiebezahlen sorgen sollen.
Wie wenig Gesundheit und Rechte Schutz suchender Menschen gelten, stellt sich an den Außengrenzen der EU besonders dramatisch dar (siehe z.B. Pro Asyl): Schutz suchende Menschen sind sich selbst überlassen, sei es vor den Grenzen der EU auf dem Westbalkan oder in den sog. Hotspots innerhalb der EU, z.B. in den Lagern auf den griechischen Inseln.
Hier leben Menschen eingesperrt auf engem Raum, in ohnehin elenden Verhältnissen, unter denen Hygienemaßnahmen kaum umgesetzt werden können. Sie sind dem Corona-Virus weitgehend schutzlos ausgeliefert und erhalten keine oder nur ganz notdürftige Gesundheitsversorgung.
Aber auch in Deutschland ist die Situation von Geflüchteten besonders dramatisch und bedrohlich:
Eine Studie des Kompetenznetz Public Health zu Covid-19 stellt fest, dass Migrant_innen in Deutschland häufiger an Covid-19 erkranken und sterben, dabei jedoch seltener in Krankenhäuser eingewiesen werden.
Die Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass die enge Unterbringung in Sammelunterkünften und Aufnahmelagern sowie die prekären Arbeitsverhältnisse, in denen sich insbesondere Geflüchtete befinden, ein besonders hohes Infektionsrisiko bergen.
Die Beispiele sind zahlreich, in denen Geflüchtete in Lagern oder Sammelunterkünften undifferenziert unter Quarantäne gestellt werden; teilweise sind Menschen über viele Wochen in einer regelrechten Kettenquarantäne. Durch die beengende Kollektivquarantäne sind sie dann dabei einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt.
Geflüchtete werden aber auf der anderen Seite oftmals nicht oder nur unzureichend informiert und aufgeklärt. Und auch sonst scheint ihr Schutz erst einmal zweitrangig zu sein. So ist in Niedersachsen bisher noch nicht geklärt, wie die Impfungen von Geflüchteten in Gemeinschaftsunterkünften und Lagern umgesetzt werden sollen.
Und auf dem Arbeitsmarkt sind Geflüchtete ebenfalls härter von der Corona-Pandemie getroffen als andere Arbeitnehmer_innen. Weil sie sich sehr häufig in prekären Beschäftigungsverhältnissen wie z.B. Leiharbeit und in der Gastronomie befinden, sind sie auch besonders stark vom Verlust ihres Arbeitsplatzes betroffen. In diesen Beschäftigungsverhältnissen ist zudem die Infektionsgefahr oftmals besonders hoch. Hinzu kommt, dass die Ausländerbehörden derzeit oftmals nicht in der Lage sind, Aufenthaltspapiere und Beschäftigungserlaubnisse zeitnah zu verlängern, so dass auch deshalb etliche Geflüchtete ihre Arbeit verlieren, was in einzelnen Fällen wiederum zur Folge hat, dass der Verlust der Wohnung droht.
Während also Geflüchtete undifferenziert und leichtfertig eingesperrt werden oder sie ihre prekäre Arbeit verlieren und sie Angst vor dem Verlust ihrer Wohnung haben müssen, stehen die Unternehmen bei der Bundesregierung auf der Matte und fordern neben Geld weitere Lockerungen, damit die Produktion wieder auf vollen Touren laufen kann, ohne Rücksicht auf irgendjemandes Gesundheit, während sie aber gleichzeitig kaum bereit sind, ihre Arbeiter_innen mit Corona-Tests vor Infektionen zu schützen. Und in den Krankenhäusern wird die Situation immer dramatischer und das Sterben geht weiter. Es werden schwer Erkrankte und Tote einkalkuliert, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Kaum wurde auch für uns im globalen Norden der Zynismus dieser Gesellschaftsordnung greifbarer, als jetzt zu Zeiten der Pandemie.
Dieses Gesellschaftssystems hat nicht die Bedürfnisbefriedigung und die Rechte aller Menschen als Maßstab, sondern kapitalistische Verwertungsinteressen. Selbst das grundlegende Recht auf ein unversehrtes Leben gilt für eine ständig steigende Zahl von Menschen nicht mehr. Die Rechte Schutz suchender Menschen scheinen dabei mit an letzter Stelle zu stehen.
Wir brauchen nicht noch mehr Repression gegen die gesellschaftlich Benachteiligten, während gleichzeitig die Privilegien Weniger und Profitinteressen bedingungslos verteidigt werden.
Wir brauchen einen solidarischer Lockdown, mit dem Ziel, die Gesundheit aller in gleichem Maße zu schützen.
Wir brauchen eine solidarische Gesellschaft, statt Kapitalismus!
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