Rechtsanwalt Peter Fahlbusch:
Guten Tag,
und immer noch grüßt -täglich- das Murmeltier. Die Abschiebegaftgefangenen leben in einer Zeitschleife.
Hier meine ganz aktuelle Abschiebungshaftstatistik, Stand 22.2.2021:
Seit 2001 habe ich bundesweit 2.074 Menschen in Abschiebungshaftverfahren vertreten.
1.023 dieser Menschen (dh 49,6 %) wurden nach den hier vorliegenden rechtskräftigen Entscheidungen rechtswidrig inhaftiert (manche „nur“ einen Tag, andere monatelang).
Zusammengezählt kommen auf die 1.023 Gefangenen siebenundzwanzigtausendeinhunderteinundneunzig (in Zahlen 27.191) rechtswidrige Hafttage, das sind knapp 75 Jahre rechtswidrige Inhaftierungen.
Im Durchschnitt befand sich jede/r Mandant/in knapp 4 Wochen (genau: 26,6 Tage) zu Unrecht in Haft.
Rund 130 Verfahren laufen z.Zt. noch.
Meine Statistik ist repräsentativ. Überraschenderweise haben „offizielle“ Stellen -angeblich- keine Zahlen, obschon jeder städtische Straßenbaum am Wegesrand gezählt wird etc. (vgl. zB https://www.nuernberg.de/imperia/md/agenda21/dokumente/projektdokumentation_2019_i.pdf , Platz 1 für Karlsruhe mit 4,3 glücklichen Einwohnern pro Baum, während Berlin trotz 431.056 Bäumen knapp am Edelmetall vorbeigeschrammt und auf Platz 4 gelandet ist, da sich dort ein Baum um 8,5 Menschen kümmern muss).
Dass die von mir erhobenen Haftzahlen seit Jahren fast identisch sind (dh immer rund 50 % der MandantInnen zu Unrecht und zwar im Durchschnitt immer knapp 4 Wochen rechtswidrig in Haft) sage ich auch schon seit Jahren. Auch hier grüßt täglich das Murmeltier.
Insgesamt ist der Befund ein Armutszeugnis. Ein Armutszeugnis für alle am Verfahren Beteiligten. Art. 104 GG, Kronjuwel unserer Verfassung, gilt für manche Menschen nicht. Und -das stimmt mich noch nachdenklicher- kümmert das kaum jemanden.
Alles würde besser, wenn die Gefangenen vom Tag der Festnahme einen Anwalt (à la Pflichtverteidigung) bekämen. Insofern hier noch ein Hinweis auf einen lesenswerten Aufsatz von Richterin am BGH Schmidt-Räntsch (Asylmagazin 2020, Heft 9, 292ff., Anhang) Auf S. 298, vorletzter Satz weist Schmidt-Räntsch wörtlich darauf hin, dass die gegenwärtige Praxis (=Inhaftierung von anwaltlich nicht vertretenen Menschen) „eines Rechtsstaats nicht würdig ist“ und dringend geändert werden sollte.