Kundgebung vor der Ausländerbehörde (Am Schützenplatz 1, 30169 Hannover), 26.10.2020, 06.30 Uhr
Die nächtliche Schlange vor der Ausländerbehörde mag sich aufgelösthaben. Die Stadt findet Wege, das rassistische Elend unsichtbar zumachen. Aber die Menschen sind noch da – ohne Sicherheit.
Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist die Ausländerbehörde noch schwieriger zu erreichen als sowieso schon üblich. Vergeblich haben in den letzten Wochen und Monaten viele Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit versucht, einen Termin bei der Ausländerbehörde zu vereinbaren. Dies führte dazu, dass die Menschen vermehrt persönlich die Ausländerbehörde aufgesucht haben und sich vor dem Gebäude lange Warteschlangen bildeten. Die Ausländerbehörde hat pro Tag 100 Nummern vergeben. Die Menschen, die keine Nummer bekommen haben, sollten am darauf folgenden Tag wiederkommen. Um eine dieser Nummern zu ergattern, stellten sich die Menschen bereits morgens um 4 Uhr an und mussten stundenlang warten, bis die Behörde öffnete.
Aktuell gibt es Zugeständnisse von Verwaltung und Politik, die menschenunwürdigen Verhältnisse bei der Ausländerbehörde anzugehen. Ein Onlineformular zur Terminvereinbarung wurde eingerichtet; ein Besuch ist nur noch mit Voranmeldung möglich. Dieses Onlineformular schaltet sich beim „Erreichen der Spontankund*innenbedienkapazität“ automatisch ab. Der Wettbewerb um einen Termin wird in der darauffolgenden Woche wieder eröffnet.
Die Menschen aus den Warteschlangen werden unsichtbar gemacht. Damit mag sich die Landeshauptstadt wohler fühlen – für die Betroffenen indes ist nichts erreicht.
Die Zustände werden sich durch das neue Verfahren nicht ausschlaggebend verbessern. Sicherlich werden weniger Menschen morgens bzw. nachts in der Kälte die Ausländerbehörde aufsuchen. Dennoch werden Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit weiterhin langen Wartezeiten für einenTermin bei der Ausländerbehörde ausgesetzt sein, sodass sie ihre Anliegen nicht (rechtzeitig) erledigen können. Dies wird weiterhin zur Folge haben, dass die Menschen keine gültigen Aufenthaltspapiere bei bspw. Polizeikontrollen vorzeigen können oder die Polizei über die ausgestellten Ersatzpapiere nicht informiert ist und diese dann oftmals nicht anerkennt. Ohne gültige Aufenthaltspapiere wird es weiterhin Schwierigkeiten geben, Leistungen vom Sozialamt und Jobcenter (pünktlich) zu erhalten oder aber eine Arbeit/Ausbildungaufzunehmen. Auch eine – auf dem rassistisch strukturiertenWohnungsmarkt ohnehin erschwerte – Wohnungsanmietung ist unter diesen Umständen unvorstellbar.
Es hilft nicht, wenn 100 Menschen pro Tag ihr „Anliegen vortragen“ dürfen. Das Vorgehen der Landeshauptstadt verschärft die prekäre Situation der Menschen, die in rassistischen Verhältnissen auch außerhalb einer Pandemie Unsicherheit, Schikane und Diskriminierung ausgesetzt sind.
Wir tragen also ohne Terminvereinbarung unser Anliegen vor:
Beendet den Wettbewerb um Lebenschancen! Schluss mit der Elendsverwaltung! Gebt den Menschen Papiere!
Kundgebung vor der Ausländerbehörde 26.10.2020, 06.30 Uhr
Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit Hannover